Versammlungen und Sitzungen virtuell abhalten – rechtliche und organisatorische Möglichkeiten

Die COVID-19-Epidemie stellt aktuell Vereine, Verbände, Unternehmen, Genossenschaften, Stiftungen, Parteien und Wohnungseigentümergemeinschaften vor eine besondere Situation. Aufgrund verschiedenster Verfügungen und Regelungen, die Zusammenkünfte auf eine geringe Anzahl an Personen begrenzen, stehen viele Organisationen im gesamten Bundesgebiet vor der Herausforderung kreative Lösungen für die Durchführung ihrer Versammlungen und Sitzungen zu finden.

Viele entscheiden sich kurzfristig dazu, reine Videokonferenz-Lösungen von Drittanbietern, wie Skype, discord oder Zoom zu nutzen. Abseits datenschutzrechtlicher Bedenken mangelt es bei der Durchführung von Sitzungen und Versammlungen in solchen Konstellationen an adäquater Unterstützung für die Sitzungsleitung – beispielsweise Redelistenverwaltung, Visualisierung und Bereitstellung von Anträgen und die Durchführung von Abstimmungen und Wahlen. In diesem Artikel werden im Weiteren Möglichkeiten aufgezeigt, wie das digitale Versammlungstool OpenSlides dazu eingesetzt werden kann, um zuvor genannte Problematiken am Beispiel von Vereinen zu lösen.

Rechtliche Möglichkeiten prüfen

Eine neue Grundlage bietet das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020. Einerseits bietet dieses Gesetz die Möglichkeit, dass Vorstände länger im Amt bleiben können (§5 Abs. 1). Die Regelung ist gültig bis zur Abberufung oder Bestellung eines neuen Vorstands. Zum Anderen können Mitgliederversammlungen ohne Anwesenheit der Mitglieder am Versammlungsort durchgeführt werden und Mitglieder können ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben (§ 5 Abs. 2 S. 1). Ebenso wurde ermöglicht, dass Mitglieder ihre Stimmen vor Durchführung der Mitgliederversammlung schriftlich abgeben können (§ 5 Abs. 2 S. 2). Zuletzt wurden mit diesem neuen Gesetz noch die Quoren zur Beteiligung der Mitglieder ohne Versammlung angepasst. Hier reicht es nun, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen in Textform abgegeben haben und der Beschluss mit erforderlicher Mehrheit gefasst wurde. Zuvor mussten hier gemäß § 32 Abs. 2 BGB alle Mitglieder ihre Zustimmung schriftlich mitteilen.

Die eigene Satzung beachten

Mit diesem Gesetz wurde nun die Grundlage für virtuelle Versammlungen gelegt. Ein weiterer Fallstrick kann jedoch die eigene Satzung des Vereins werden. Hier ist besonders darauf zu achten, wie Abstimmungs- bzw. Wahlmodi definiert sind. Sollte beispielsweise in der Satzung explizit definiert sein, dass die Wahl des Vorstandes geheim zu erfolgen hat, ist dies „im Wege der elektronischen Kommunikation“ nur sehr schwer bis gar nicht zu gewährleisten. Sollte eine Satzung dahingehend restriktiert sein, wäre für die Wahl eine Form der Briefwahl angebracht.

Einladung, Zugänge und Anwesenheit

Bei der Anwesenheitsüberprüfung in Online-Versammlungen stellt sich eine weitere Hürde. Auf Basis eines elektronischen Weges sind hier verschiedene Lösung denkbar, die unterschiedlich hohe Level der Authentizität der Teilnehmenden bieten. Es werden nachfolgend zwei mögliche Wege erläutert und eingeordnet:

  1. Feststellung der Beschlussfähigkeit mithilfe des Videobildes auf der genutzten Kommunikationsplattform:
    Wenn eine Sitzung per Videokonferenz durchgeführt wird, könnte die Anwesenheit anhand der Videobilder überprüft werden. Die Sitzungsleitung könnte dann zu Anfang der Sitzung entsprechend eine Anwesenheitsliste manuell oder mithilfe von OpenSlides anfertigen und die Authentizität anhand der Videobilder kontrollieren. In diesem Szenario bestehen jedoch diverse technische Einschränkungen: Zum einen müssen Kapazitäten an Bandbreite für hinreichend viele Videostreams und eine stabile Plattform zur Verfügung stehen. Zum anderen müssen die Teilnehmenden alle über eine funktionierende Webcam, Smartphone oder ähnliche Aufnahmemöglichkeit verfügen.
  2. Feststellung der Beschlussfähigkeit durch eine Anwesenheitsliste geführt mit OpenSlides:
    In OpenSlides ist es möglich den Teilnehmenden die Berechtigung zu geben, ihren eigenen Anwesenheitsstatus zu setzen. Dies ist ein vergleichbarer Weg zu einer Anwesenheitsliste bei Präsenzversammlungen in die sich Teilnehmende von Hand eintragen. Alternativ kann der Status auch durch die Sitzungsleitung gesetzt werden. Wenn sichergestellt ist, dass die Mitglieder des Vereins ihre Zugangsdaten für OpenSlides persönlich erhalten (per Post oder E-Mail) ist die Authentizität der Teilnehmenden, welche sich in die digitale Anwesenheitsliste eintragen, bestätigt. Dies ist gewährleistet da die jeweiligen Mitglieder persönlich sicherstellen müssen, dass nur Sie selbst Zugriff auf OpenSlides haben und die Login-Daten nicht an Dritte gelangen.

In beiden zuvor genannten Formen sollten die Mitglieder in der Einladung oder in der Aussendung der Zugangsdaten über den gewählten Modus informiert werden.

Kommunikationsplattform auswählen

Zur Durchführung einer Online-Versammlung wird im Minimalfall ein Audiokanal benötigt über den die Teilnehmenden untereinander kommunizieren können. Dies könnte beispielsweise eine klassische Telefonkonferenz oder eine Audikonferenz-Softwarelösung sein. Darüber hinaus kann auch ein Videokanal zur Versammlung genutzt werden, um ebenfalls ein visuelles Medium zu bieten. Ein beiden Fällen lassen sich folgende Anforderungen für ein Kommunikationsmittel aufstellen:

  • Verfügbarkeit/Erreichbarkeit: Die Kommunikationsplattform sollte für alle Mitglieder erreichbar sein und muss auch einer größeren Zahl gleichzeitiger Nutzer*innen standhalten können.
  • Einstiegsschwelle: Häufig sind technische Vorkenntnisse der Mitglieder sehr heterogen, daher sollte die Nutzbarkeit eines Kommunikationsmittels eine geringe Einstiegshürde bieten und einfach zu bedienen sein.
  • Plattformunabhängigkeit/Kompatibilität: Ebenso heterogen wie technische Vorkenntnisse sind häufig auch die Geräte und Systeme, die von verschiedenen Personen verwendet werden. Beispielsweise verschiedene Geräte (Smartphones, Tablets und Notebooks), unterschiedliche Betriebssysteme (Linux, Windows, MacOS, Android, iOS, …) oder verschiedene Webbrowser. Ein Kommunikationsmittel sollte deshalb eine große Plattformunabhängigkeit aufweisen.
  • Datenschutz: Das Kommunikationsmittel sollte alle datenschutzrechtlichen Anforderungen gemäß DSGVO erfüllen oder sogar darüber hinausgehen. Mit den Daten der Mitglieder sollte so sparsam wie möglich umgegangen werden. Sollten Daten von Dritten weiterverarbeitet werden, weil ein Kommunikationsdienst genutzt wird, so sollten dies so wenig Daten wie möglich sein. Zudem müssen die Mitglieder darüber aufgeklärt werden.
  • Sprach-/Videoqualität: Eine hinreichend gute Gesprächsqualität sollte gegeben sein, um eine Versammlung adäquat durchführen zu können.
  • Moderation: Die Versammlungsleitung sollte im genutzten Tool die Möglichkeit haben, Hilfsmittel zur Moderation der Sitzung nutzen zu können. Beispielsweise das Freischalten/Stummschalten einzelner Mitglieder bei Wortmeldung.

Unter Einbeziehung der zuvor genannten Kriterien soll nun auf zwei geeignete Open-Source-Konferenzlösungen eingegangen werden: Mumble und Jitsi-Meet.

Als Vorbemerkung sei gesagt: Um eine gute Datenschutzkonformität zu erfüllen, ist es ratsam, auf selbst betriebene Lösungen zu setzen (sofern möglich). Hierzu eignen sich die im weiteren genannten beiden Freie Software (Open Source) Produkte optimal. Alternativ sei es ebenso ratsam, auf IT-Dienstleister zu setzen, mit denen eine DSGVO-Auftragsverarbeitung abgeschlossen wurde für den Betrieb solcher Dienste. Im Frühjahr 2020 wurde bekannt, dass bei verschiedenen großen Anbietern von Videokonferenzlösungen Daten von Nutzer*innen zur Auswertung an Big-Data-Unternehmen mit Analytics-Diensten weitergegeben wurden. Diesen Aspekt gilt es dringend zu beachten bei der Auswahl von Dienstleistungen und Produkten.

Mumble ist eine freie Sprachkonferenzsoftware, die es ermöglicht Konferenzen mit großen Teilnehmendenzahlen durchzuführen. Zur Durchführung einer Konferenz wird ein Mumble-Server benötigt. Dazu kann auf öffentliche Server, selbst betriebene Server oder auch gemietete Server von Dienstleistern zurückgegriffen werden. Je nach Anbindung dieses Servers ist die Verfügbarkeit und Erreichbarkeit zu bewerten. Im Allgemeinen lässt sich jedoch sagen, dass Mumble sehr bandbreiten- und ressourcen-sparsam agiert. Vor allem, da keine ressourcen-hungrigen Videostreams in der Software genutzt werden. Was die Einstiegsschwelle angeht, gibt es eine Web-Client für Mumble, welcher die Basisfunktionalitäten bietet und von den meisten Browsern genutzt werden kann. Für die volle Funktionalität gibt es geräte- bzw. systemspezifische Clients, die installiert werden müssen. Diese gibt es sowohl für mobile Geräte als auch für Desktop-Betriebssysteme. Die Audioqualität in Mumble kann sowohl über die Clients als auch auf Serverseite angepasst werden. Schon bei einer Audiokomprimierung auf 56kbit/s lässt sich eine sehr gute Gesprächsqualität herstellen. In der Moderation bietet Mumble hilfreiche Features wie zum Beispiel moderierte Räume. In diesen Räumen sind alle Nutzer*innnen standardmäßig auf Stumm geschaltet und können über eine Schaltfläche im Programm eine Wortmeldung signalisieren, eine Person mit Moderationsrechten kann dann entsprechend Rederechte verteilen und Teilnehmende aktiv schalten. Ebenso kann der Zugang zu Konferenzräumen beschränkt werden.

Jitsi-Meet ist ebenfalls Freie Software (Open Source) und bietet im Vergleich zu Mumble zusätzlich einen Videokanal mit an. Jitsi basiert auf der WebRTC-Technologie. Es ist ebenfalls ein Server erforderlich. Es kann entweder ein öffentlicher Jitsi-Server ausgewählt werden, ein eigener Server selbst betrieben werden oder bei Dienstleistern ein Server gemietet werden. Für mobile Betriebssysteme gibt es native Apps, um einer Konferenz beizutreten. Auf Desktop-Clients kann komfortabel über die meisten Browser beigetreten werden. Mit eingeschaltetem Videokanal benötigt Jitsi mehr Ressourcen als nur mit einem Audiokanal. Darum sollte bei größeren Konferenzen mit Video ein Server mit ausreichend Bandbreite zur Verfügung stehen. Auf Clientseite können Nutzer*innen die Qualität der Videoübertragung auswählen und diese an den eigenen Anschluss anpassen. Bei Jitsi können Konferenzräume mit einem Kennwort geschützt werden, so kann der Zugang restriktiert werden. Eine Person hat in Jitis-Konferenzen Moderationsrechte und kann damit z. B. Teilnehmende stumm schalten, um Redebeiträge zu moderieren.

Sitzung online durchführen

Wie Sie OpenSlides zur effizienten Unterstützung in virtuellen Versammlungen einsetzen können, erfahren Sie im Artikel Online-Versammlungen mit OpenSlides durchführen.