Die virtuelle Mitgliederversammlung im Verein

Es gibt immer wieder Anfragen, ob OpenSlides auch für den Einsatz auf virtuellen Mitgliederversammlungen erweitert werden kann. Dies haben wir (das OpenSlides-Team) zum Anlass genommen, um einmal die deutsche Rechtslage für Vereine zu prüfen. Rechtsanwalt Michael Röcken hat freundlicherweise für uns die aktuellen Rechtssprechungen dazu ausgewertet und uns seinen Text zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt.

Seitens der Vereine besteht immer stärker der Wunsch, die neuen Medien für die Kommunikation im Vereinsalltag zu nutzen. Sei es, um mit den Mitgliedern per E-Mail zu kommunizieren, Beschlüsse des Vorstandes im Umlaufverfahren zu nutzen oder eine Mitgliederversammlung „virtuell“ im Internet durchführen zu können. Hier bedarf es stets einer Satzungsregelung, da die rechtlichen Grundlagen des Vereins durch die Satzung festgelegt werden (§ 25 BGB).

Für den Vereinsbereich geht das BGB von bestimmten Grundlagen aus. So findet die Mitgliederversammlung stets als Präsenzveranstaltung („Versammlung der Mitglieder“, § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB) statt. Eine Abweichung ist hier nur durch eine Regelung in der Satzung möglich. Dies ergibt sich aus § 40 BGB, welcher bestimmte Vorschriften des BGB für nicht anwendbar erklärt, wenn in der Satzung etwas anderes geregelt ist.

Eine Satzungsregelung kann jedoch nur wirksam werden, wenn sie – bei eingetragenen Vereinen – auch im Vereinsregister eingetragen ist (§ 71 BGB). Vor dieser Eintragung findet eine Prüfung durch das Registergericht statt, ob die vorgesehenen Änderungen und Regelungen überhaupt in der Satzung möglich sind. Wenn das Registergericht der Auffassung ist, dass eine Satzungsregelung nicht möglich ist, wird diese nicht in das Vereinsregister eingetragen. Diese Entscheidung des Registergerichtes kann jedoch gerichtlich überprüft werden.

Bei der hier zu besprechenden Entscheidung des Oberlandesgerichtes (OLG) Hamm vom 27.09.2011 (Az.: I-27 W 106/11) hatte ein Verein seine Satzung u. a. dahingehend geändert, dass „Die Mitgliederversammlung entweder real oder virtuell (Onlineverfahren) in einem nur für Mitglieder mit ihren Legitimationsdaten und einem gesonderten Zugangswort zugänglichen Chat-Raum“ erfolgt. Weiter sah der Satzungsentwurf vor, dass „im Onlineverfahren das jeweils nur für die aktuelle Versammlung gültige Zugangswort mit einer gesonderten Email unmittelbar vor der Versammlung, maximal 3 Stunden davor, bekannt gegeben wird. Ausreichend ist dabei die ordnungsgemäße Absendung der Email an die letzte dem Vorstand bekannt gegeben Email-Adresse des jeweiligen Mitglieds. Mitglieder, die über keine Email-Adresse verfügen, erhalten das Zugangswort per Post an die letzte dem Vorstand bekannt gegebene Adresse. Ausreichend ist die ordnungsgemäße Absendung des Briefes zwei Tage vor der Mitgliederversammlung. Sämtliche Mitglieder sind verpflichtet, ihre Legitimationsdaten und das Zugangswort keinem Dritten zugänglich zu machen und unter strengem Verschluss zu halten.“

Das zuständige Registergericht lehnte eine Eintragung ab, da es die Satzungsregelungen aus mehreren Gründen für nicht vereinbar mit den gesetzlichen Regelungen hielt. Zum einen fehlte dem Registergericht „eine klare Bestimmung, da reale und virtuelle Versammlungen möglich seien“. Darüber hinaus sah es bei der „Onlineversammlung“ die Gefahr, dass „sich eine fremde Person Zugang verschafft und sich als Mitglied ausgibt“, „es könne auch nicht durch den Vorstand überprüft werden, ob die anwesenden Mitglieder geschäftsfähig“ seien. Schlussendlich verwies das Registergericht auf die Regelung des § 13 Abs. 1 Satz 2 UmwG, wonach ein Verschmelzungsbeschluss nur in einer Versammlung der Anteilsinhaber gefasst werden kann.

Das OLG Hamm hat dem Verein hier Recht gegeben und die Satzungsregelungen für eintragungsfähig erklärt. Hierbei handelt es sich um die erste Entscheidung, welche sich mit dem Themenbereich der „virtuellen Mitgliederversammlung im Verein“ befasst hat.

Das Gericht schloss sich in seiner Entscheidungsbegründung der sog. herrschenden Meinung im vereinsrechtlichen Schrifttum an und sah Parallelen zu anderen gesetzlichen Regelungen (§ 118 AktG und § 43 Abs. 7 GenG. Hier muss angemerkt werden, dass das Vereinsrecht eine solche Möglichkeit nicht ausdrücklich vorsieht. Das Gericht verwies hier auf § 40 BGB, wonach „in der Satzung eine von § 32 BGB abweichende Regelung getroffen werden“ kann.

Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Entscheidung für die vereinsrechtliche Praxis?

Durch die Entscheidung des OLG Hamm dürfte es für Vereine leichter werden, ihr Registergericht von der Möglichkeit einer Onlineversammlung zu überzeugen. Bevor jedoch der Verein seine Mitgliederversammlungen nur noch virtuell durchführen lässt, sollten folgende Punkte bedacht werden:

  • Die Präsenzveranstaltung als Option
    Das OLG Hamm hat betont, dass die Satzung sowohl die virtuelle als auch die reale Mitgliederversammlung vorsah: „Im Einzelfall [kann es] sinnvoll oder in den Fällen des § 13 Abs. 1 S. 2 UmwG sogar notwendig sein, auf eine physische Präsenz bei der Versammlung oder Abstimmung zu bestehen. Erforderlich ist lediglich, dass die Vereinsmitglieder rechtzeitig über den Modus der Versammlung informiert werden, was im vorliegenden Fall mit der Einladung erfolgt.“
  • Welche Mitgliederstruktur hat der Verein?
    Der Zweck des Vereins war „die Selbsthilfe und Hilfestellung für Menschen mit Alkoholproblemen und deren Angehörigen bundesweit über das Medium Internet. Dabei soll der Satzungszweck insbesondere über seine Präsenz im Internet verwirklicht werden. Dazu bietet der Verein Informationen auf einer dafür eingerichteten Internetseite zur Verfügung. Eine Kontaktaufnahme zum Verein kann auch über das Internet erfolgen.“
    Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Vereins lag im Bereich des Internets. Zwar betonte das Gericht in seiner Entscheidung, dass „ein Verein nicht einem beliebigen Personenkreis offen stehen“ muss. „Er muss daher auch nicht Kommunikation auf jede erdenkliche Weise anbieten“. Das Gericht verwies auch darauf, „dass es auch öffentliche Internetzugänge gibt, auf die die Vereinsmitglieder zumutbar zurückgreifen können“.
    Wenn die Mitglieder des Vereins jedoch nicht „internetaffin“ sind, wird eine virtuelle Mitgliederversammlung nicht den erhofften Zuspruch finden.
  • Zugangsmöglichkeiten zu der Onlineversammlung.
    • Satzungsregelung
      Das OLG Hamm betonte weiter in seiner Entscheidung, dass „durch die Zugangsbeschränkungen mittels Passwort gewährleistet wird, dass nur Vereinsmitglieder an der Versammlung teilnehmen“. Dies sollte in der Satzung berücksichtigt werden.
    • „Technische Seite“
      Hier muss sichergestellt sein, dass kein Fremder Zugang zu der Onlineversammlung erlangen kann. Weiter muss die Form der Abstimmung geregelt werden. Auch die Rechte des Versammlungsleiters, wie die Worterteilung oder die Sicherstellung eines geordneten Diskussionsverlaufs, müssen geregelt werden.
  • Vorstandssitzung als Onlineversammlung
    Für die Beschlussfassung des Vorstandes verweist § 28 BGB für die Fälle, in denen der Vorstand des Vereins aus mehreren Personen besteht, auf die für die Beschlüsse der Mitglieder des Vereins geltenden Vorschriften der §§ 32 und 34 BGB. Es sollte somit auch eine Regelung für eine „virtuelle Vorstandssitzung“ in der Satzung vorgesehen werden. Der Verein hatte dies in dieser Form vorgesehen: „Vorstandsversammlungen und Versammlungen der ordentlichen Mitglieder können ebenfalls online oder in Schriftform erfolgen.“